Dienstag, 22. Mai 2012

Wie krank man sich auf einmal fühlen kann...

Es ist so passend.


Vom äußeren Erscheinungsbild her sind bulimische Frauen/Männer unauffällig, meist schlank. Auch ihr Essverhalten in der Öffentlichkeit ist eher kontrolliert. Nach außen hin funktioniert alles perfekt. Bulimie ist eine schambesetzte und heimliche Essstörung. Die Betroffenen ekeln sich vor sich selbst, haben das Gefühl abnorm zu sein. Sie tun alles, um ihre Essanfälle und das danach Folgende (Erbrechen oder Abführmittelmissbrauch) ungeschehen zu machen, die Kalorienzufuhr zu verheimlichen. Oft entscheiden sie sich für extreme sportliche Betätigungen, die zwar viele verwundern, jedoch nicht misstrauisch machen. Im fortgeschrittenen Stadium kommt es vermehrt zur sozialen Isolation und depressiven Verstimmungen. Um ihren Heißhungerattacken nachgeben zu können, vernachlässigen Betroffene häufig jegliche Interessen und den Kontakt zu anderen Menschen.
Die Diagnosekriterien für Bulimia nervosa sind
a) mindestens 2 Essattacken pro Woche über 2 Monate, Aufnahme großer Mengen meist leicht verzehrbarer und kalorienreicher Nahrungsmittel, das Gefühl, das Essverhalten während der Anfälle nicht unter Kontrolle halten zu können,
b) im Anschluss Ungeschehen-Machen der Kalorienzufuhr durch selbst induziertes Erbrechen, Medikamentenmissbrauch (Abführmittel und/oder Entwässerungstabletten) und/oder Diät-/Fastenphasen und/oder übermäßige körperliche Betätigung, andauernde übertriebene Beschäftigung mit Figur und Gewicht,
c) krankhafte Furcht davor, dick zu werden, scharf definierte sehr niedrige persönliche Gewichtsgrenze
.
In der Vorgeschichte von Betroffenen finden sich häufig magersüchtige Phasen. Auch im Verlauf der Bulimie kann es wieder zu Magersucht kommen. Essstörungen können sich immer wieder verlagern. Besonders Magersucht und Ess-Brech-Sucht haben fließende Grenzen.
Die körperlichen Folgeschäden der Bulimie sind: Schwellung der Speicheldrüsen, Zahnschmelzschäden, Speiseröhreneinrisse, Magenwanddurchbruch sowie Kreislaufzusammenbruch, der zu Nierenschäden und Herzrhythmusstörungen führen kann. Die Regelblutung kann ausbleiben. Hinzukommen häufig finanzielle Schwierigkeiten, bedingt durch den großen Nahrungsmittelkonsum und Ausgaben für Abführmittel.

Typische Muster und Abläufe sind:
Hang zu Perfektion: Gefährdet sind Menschen, in deren Familien Suchtverhalten aufgetreten ist. Außerdem kann eine Neigung zum übertriebenen Perfektionismus ein Hinweis auf eine Gefährdung sein. Perfektionismus wird im Verlauf einer Bulimie noch stärker und quält Betroffene nicht nur im Hinblick auf ihre Figur, sondern in allen Lebensbereichen: Schule, Ausbildung, Rolle als Tochter oder/und Freundin, Ehefrau, Mutter etc. Ich bin nicht gut genug, nicht schön genug, nicht genug überhaupt! Ich bin, so wie ich bin, nicht richtig, alles an mir könnte besser sein. Obwohl die Fassade lange Zeit stimmt, ist das Selbstwertgefühl der Betroffenen sehr schwach ausgeprägt, ihre Identität verschwommen.
Bedürfnisse
werden häufig unterdrückt: Bulimische Frauen haben nicht gelernt, ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und gegenüber anderen zu vertreten. Außerdem berichten sie über starke Abhängigkeitsgefühle, die mit großen Verlust- und Trennungsängsten einhergehen. Dies trägt zur Unterdrückung eigener Gefühle und Bedürfnisse bei und hat eine starke Orientierung an den Erwartungen anderer Menschen zur Folge. Das mangelnde Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen bewirken depressive Verstimmtheit sowie Gefühle der emotionalen Leere, Hilflosigkeit und Anspannung und der Scham über die Unzulänglichkeit des eigenen Körpers. Das Wahrnehmen, Benennen und Ausdrücken der eigenen Gefühle gelingt den Frauen nur schwer. Die in der eigenen Wahrnehmung bestehenden Unterschiede zwischen dem "Wie ich sein will" und dem "Wie ich bin" führen zu Spannungszuständen, die sich dann im Essverhalten entladen.
Rund 50 Prozent der bulimischen Frauen waren früher einmal magersüchtig. Die Symptomverlagerung ist eine scheinbare Lösung und begünstigt die Entwicklung zu einer chronischen Essstörung. Ein anderer Einstieg ist eine oder mehrere missglückte Diäten. Der Wille, schnell schlank zu werden, extreme Diäten stehen dann am Anfang einer Krankheit. Der "Diät-Geheimtipp" wird durch die Medien verbreitet und oft auch bagatellisiert. Dieser Anfang erscheint harmlos.
Die Schwelle zur Essstörung, aus der sich Betroffene ohne fremde Hilfe kaum noch befreien können, ist aber schnell überschritten.
Die Entwicklung kann, muss aber nicht dramatisch werden. Bei einem schweren Krankheitsverlauf kommt es neben schweren körperlichen Schäden auch zu sozialen Auffälligkeiten: Häufig ambivalentes Verhalten ("launisch sein", "mal hü, mal hott") und Aggressivität be- und verhindern Kontakte, führen zur Vernachlässigung der Schulpflichten, zu einer chaotischen Wohnsituation (Zimmer ist überfüllt mit Lebensmittelresten, offenen Büchsen, Papier etc.), zum Stehlen von Lebensmitteln oder Geld, zu hoher Verschuldung.

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