Mittwoch, 26. September 2012

Einfach weg

Jemanden vermissen ist nicht schlimm.
Jemanden vermissen, der fünf Stunden wegwohnt, ist schlimm, aber aushaltbar.
Jemanden vermissen, der tot ist, schmerzt.
Es raubt mir die Luft zum Atmen, wenn ich in meinen Träumen ihre Augen sehe, ihr Lachen höre und ihre Stimme.
"Ach, Mäuschen. Das wird schon wieder", sagte sie mir jedes Mal, obwohl sie mehr als nur Probleme hatte. Ihre Worte trieften vor Angst, wenn die Dunkelheit sie übermannte. Wenn die Panik, die Realität zu verlieren, wiederkam. Was hat das Leben aus uns gemacht? Aus ihr hat es einen Geist gemacht. Eine Erinnerung, die mit jeder Stunde verblasst. Ein nicht greifbares Objekt, das nur existiert, wenn einer an sie denkt. Und aus mir einen Klops, der mehr schlecht als recht durchs Leben kullert. Ein Stein, der andere nicht an sich ranlässt, obwohl es nötig wäre. Aber vielleicht auch einfach nur ein Mensch auf dem Weg ins Verderben. Depressionen kehren wieder. Essen strengt mehr an, als dass es Energie gibt. Ich will nicht essen, auch wenns mir körperlich schlecht geht. Und alles fing an, extreme und weit mehr als gestörte Maße anzunehmen, in dem Jahr, in dem sie mich und alle anderen verließ. Ich vermisse sie schrecklich. Mein großes Mädchen. Ich liebte sie so. Auf familiärer Ebene. Irgendetwas hat sie zerstört und einen Teil von mir mitgenommen. Habe keine Lust, zu zerbrechen, aber dennoch das Gefühl es Stück für Stück zu tun. Wie ein angeknackster Spiegel. Und jeder Scherbe sehe ich was anderes. Haha, Ironie des Schicksals. Ich bin keine Multiple, so wie sie, und vergleiche mein Leben dennoch mit einem zerbrochenen Spiegel. Er verzerrt alles. Er zerrt alles auseinander. Trennt durch die Risse meine Freunde von mir. Alles ungreifbar nah. Will das nicht. Vermisse sie. Frage mich, warum. Frage mich, wie das passieren konnte. Auch jetzt noch, 420 Tage später, kreisen die Fragen in meinem Kopf. Wollen nicht aufhören. Was dachte sie in dem Moment, in dem sie die Klinge in die Haut drückte? Oder hat sie sich erhangen? Oder irgendwas genommen, eine Überdosis ihrer Medikamente vielleicht? ICH HAB KEINE AHNUNG! Aber es war Selbstmord. Und ich weiß nicht, ob ich traurig oder wütend sein soll.
Traurig, weil sie nicht mehr da ist. Traurig, weil niemand in meinem Leben mir so zugehört hat, wie sie, auch wenn es nur per Schülervz war. Traurig, weil ich an ihr Kind denken muss, das jetzt - mit ihren kleinen vier Jahren - irgendwo in Berlin sitzt, ohne Mutter oder Vater, nur mit dem Stiefpapa, und sich immer wieder fragt, wann ihre Mama wiederkommt. Und traurig, weil sie nie mein Buch lesen können wird. Oder können Tote lesen? Traurig, weil ich nicht weiß, wo sie ist. Wiedergeboren irgendwo auf unserer Welt? Muss sie alles nochmal durchleben? Oder ist sie im Himmel? (wenn es Himmel und Hölle gibt, ist sie der letzte Mensch, der in die Hölle hingehört!) Oder verwest sie einfach nur in der Erde? Kein Plan.
Wütend, weil die Psychiatrie es nicht verhindert hat. Wütend, weil niemand ihr half, ich KONNTE es nicht. Ich verstand ja meine eigene Welt nicht mal. Wütend, weil sie uns im vollen Bewusstsein, alleine ließ. Wütend, weil keiner fragt, ob es jetzt besser ist. Weil es totgeschwiegen wird *zynisch lach* Wütend, weil mich ihr Lieblingslied - mein Lieblingslied - grundsätzlich an unsere kurze, intensive, gemeinsame Zeit erinnert. Weil es so passt. Weil ich nicht mehr kann. Nicht mehr, seit sie weg ist. Weil alles keinen Sinn mehr ergibt. Weil ich in diesen dunklen Tagen keinen Halt mehr habe. Wo ist mein Halt? Wer fängt mich? wer liebt mich, so wie ich bin, so wie sie es tat?
"Du findest deine große Liebe schon noch. Hab ich ja auch!", schrieb sie mir. Ja, hatte sie. Doch sie ist gegangen.
"Du packst das schon. Lass den Kopf nicht hängen", schrieb sie immer öfter. Doch selber ließ sie ihn viel öfter hängen.
"Was ist grün und läuft über die Wiese? Eine ferngesteuerte Essiggurke!", lachte sie fast jede Woche. Ein Witz, über den sie auch beim hundersten Mal lachen konnte. Einfach, weil sie so war. Weil sie sich alles bildlich vorstellte. Doch heute lacht sie sicher gar nicht mehr.
Ich vermisse sie einfach nur.
Ein langer Text, der nicht mehr als das ausdrückt.

Regenbogen ...
PS: Entschuldigt das deprimierende Zeug hier. Ich kann einfach nicht mehr und muss - bevor ich ausraste - die Worte loswerden.
43,9kg *hmm*
BMI: 17,58
Stimmung: depressiv und am Durchdrehen


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